29.04.2024 Höchster Kreisblatt
Ein Mandolinenverein der Superlative
100 Jahre Erfolgsgeschichte: Das „MON“ holte zahlreiche Preise und spielte zu Willy Brandts 60. Geburtstag
Von Juliane Schneider
Neuenhain - Als 13 junge Männer am 12. April 1924 in Neuenhain den Mandolinen-Club „Taunusblüte" gründen, liegen sie absolut im Trend. Seit Ende des 10. Jahrhunderts erfreut sich das Zupfinstrument großer Beliebtheit, ausgelöst durch italienische Muskgruppen. „In“ ist damals auch die Wandervogelbewegung, die in Zeiten der Industrialisiierung die Natur in den Mittelpunkt rückt. In der Wanderkluft präsentieren sich auch die jungen Neuenhainer, mit ihren Instrumenten ziehen sie ins Grüne, ein Geiger gibt dabei den Ton an. Dreieinhalb Jahre später hat sich das Bild gewandelt. In schicken Anzügen präsentieren die Musiker erst Pokale, die sie in Wettbewerben unter der Leitung von Balthasar Ebert gewonnen haben. Aus dem Namen wird das „Taunusblüte“ gestrichen; nun steht die Musik Vordergrund. „Der Erfolg setzte sich beeindruckend fort“, wie die Festschrift zum hundertjährigen Bestehen beschreibt. Erste Auftritte im Rundfunkt folgen.
Still wird es wie bei vielen Vereinen in Kriegs- und Nachkriegszeit, der Neuanfang 1948 fällt schwer. Hauptproblem sind die Finanzen, 1952 brennt auch noch der Geschäftsführer mit dem gesamten Kassenbestand von 422 DM durch. Dass 1954 Dirigent Ebert nach schwerer Krankheit mit nur 48 Jahren verstirbt, ist ein großer Verlust. Nachfolger Anton Scherer übernimmt mit strengem Regiment. Inzwischen sind Frauen mit an Bord.
Mitte der 60er beginnt dann eine neue, erfolgreiche Ära, mit Auftritten in Funk- und Fernsehen und Preisen bei internationalen Wettbewerben, zu denen sogar der damalige Bundeskanzler Willy Brandt, selbst Mandolinenspieler, gratuliert. Im neuen Farbfernsehen sieht man die Neuenhainer in knallig bunten Outfits, die die TV-Macher kistenweise zur Verfügung gestellt hatten. Internationale Preise folgen 1970 wird das Jugendorchester gegründet.
Ständige Ausbildung von Nachwuchs ist auch heute noch das Erfolgsrezept. 1971 die Sensation der Vereinsgeschichte: Das „MON“ wird als erstes deutsches Amateurorchester zu einer Konzertreise durch die UdSSR eingeladen. Die Musiker spielen in Moskau, Odessa und Kiew. Bei ihrer Rückkehr werden sie von 400 stolzen Neuenhainern mit Fackelzug und Spielmannszug jubelnd empfangen und sind nun überregional bekannt.
1973 spielt das „MON“ Bundeskanzler Willy Brandt zum 60. Geburtstag ein Ständchen im Palais Schaumburg, 1974 tritt es zum Empfang des Bundespräsidenten Scheel in Wiesbaden auf. 1978 übernimmt der Dortmunder Hochschuldozent und Komponist Fred Witt den Dirigentenstab und bringt es technisch auf den neusten Stand. Tremolo weicht modernem Einzeltonspiel, heißt es in der Festschrift. Manch‘ Neuenhainer trauert den alten Melodien nach, die Zeitungskritiker aber sind begeistert. National und international werden Wettbewerbe in Serie gewonnen. 190 erreicht Zupfsextett bei „Jugend musiziert“ einen ersten Platz, ebenso Uwe Ochs in der Kategorie „Solo Mandoline“. Auslandsreisen und Schallplattenaufnahmen stehen auf dem Programm.
1988 übernimmt Stefan Schmitt – Gitarrennachwuchs aus den eigenen Reihen – nach einem Dirigentenstudium – die Leitung. Prägend für seine Zeit sind mehrfache, unvergessene Reisen zum Musikfestival im spanischen Logroño. Seit 2002 ist Helmut Oesterrich Leiter des „MON“. Mit ihm reist das Orchester quer durch Europa. Selbst Corona trotzen die engagierten Musiker, treffen sich online und beleben das gemeinsame Wandern neu. Zuständig fürs Jugendorchester, die „MONsters“, ist seit 1994 Christa Keller. Bei der großen Geburtstagsfeier am Samstag wurde sie zum Ehrenmitglied ernannt, genauso Dirigent Oesterrerich und Manfred Rosa. Eine große Hundert aus bunten Luftballons schmückt die Bühne, auf der das Hauptorchester „MON“, zu dem inzwischen viele Gitarristen gehören, die Projektgruppe „Drei-Linden-Ensemble“ und das Jugendorchester „MONsters“ auf gewohnt hohem Niveau und viel beklatsch Musikstücke präsentieren.
Glückwünsche vom Bund Deutscher Zupfmusiker übermittelte Josef Altmann. Bürgermeister Frank Blasch überreichte zum Jubiläum ein 500 Euro-Geschenk der Stadt Bad Soden und die Silberne Ehrenplakette des Landes Hessens. Anke Sieper, Vorsitzende des Vereins, und Florian Straßberger luden mit einer Bildpräsentation zu einer Reise in die ruhmreiche Vergangenheit des Mandolinen-Orchesters Neuenhain 1924 ein. Mit einem gemütlichen Miteinander klang die Feier aus, umgeben von Fotowänden mit vielen Erinnerungen.